MAX BIRCHER (1907 - 2001)
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Ich bin von Geburt auf mit dem Leiden der Gehörlosigkeit behaftet, was für mich eine grosse Belastung darstellt. Mit der Hilfe meiner treubesorgten Mutter ist es mir gelungen, mein Leben reich und fruchtbar zu gestalten. Nicht zuletzt wurde ich getragen durch einen Kreis von Menschen, der die gleiche Behinderung zu ertragen hat. Ich bin daher trotz dieser Umstände von Dankbarkeit erfüllt. Da es meine Verhältnisse gestatten, ist es mein grösstes Anliegen, zu helfen und verschiedene Institutionen zu unterstützen, die der Fürsorge der Gehörlosen dienen.
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Max Bircher in seiner letztwilligen Verfügung (1972).
Max Bircher wurde am 4. März 1907 als Sohn von Theophil Bircher und Anna Bircher-Ackermann in Küttigen bei Aarau geboren. Max war von Geburt an gehörlos und blieb das einzige Kind des Ehepaars Bircher. Sein Vater war Metzgermeister und führte erfolgreich ein eigenes Geschäft in Küttigen. 1918 wagte Vater Bircher den Sprung nach Zürich und erwarb ein Metzgereiunternehmen an der Stampfenbachstrasse. Er erarbeitete ein beachtliches Vermögen, das er in Liegenschaften investierte. Nach dessen Tod 1936 übernahm Gattin Anna Bircher mit ihrem Sohn Max das Liegenschaftsgeschäft.
Seine Ausbildung erhielt Max Bircher an der Taubstummen-Anstalt im Riehen sowie an der Blinden- und Taubstummenanstalt in Zürich-Wollishofen. 1926 schickten die Eltern Max ins Ausland nach Jena, wo er für zwei Jahre im Privatinstitut für Gehörleidende seine Sprachkompetenz weiter entwickelte. Im anregenden Klima des Instituts erwarb er seine Freude an der Lektüre von Literatur und lernte auch Schwimmen. Der Schwimmsport wurde zu einem seiner Hobbies neben Filmen, Fotografieren, Kochen und Zigarrenrauchen.
Zurück aus Jena begann Max mit 21 Jahren im väterlichen Liegenschaftsgeschäft zu arbeiten. Schon früh engagierte er sich im Gehörlosenwesen: Als 24-Jähriger wurde Max Bircher Sekretär des Taubstummenrates, ein Amt das er acht Jahre innehatte. Danach hielt er die Verbindung mit verschiedensten Organisationen des Gehörlosenwesens aufrecht, ohne aktiv in Erscheinung zu treten. Später konzentrierte sich Max Bircher auf seine Aufgabe im Liegenschaftsgeschäft, das er nach dem Tod der Mutter 1962 weiter führte.
Er blieb zeitlebens alleinstehend und kinderlos und fand neben der Arbeit Musse, das Leben als gut situierter Junggeselle zu geniessen – oft in Gesellschaft von gehörlosen Freunden und Freundinnen. Max Bircher hat sich früh und im Vollbesitz seiner Kräfte für eine Nachlassregelung entschieden. Im Alter von 65 Jahren verfasste Max Bircher eine erste letztwillige Verfügung und bestimmte, dass das beträchtliche Vermögen vollumfänglich in die Max Bircher Stiftung eingebracht werden soll. Der Verfügung war eine Stiftungsurkunde beigelegt, die als Zweck die Förderung des Wohles Gehörloser festschrieb.
Im Jahr 1994 wurde eine Vermögensbeiratschaft errichtet, um komplexe rechtliche Fragen zu lösen. Mit dem Einverständnis von Max Bircher konnte der Rechtsanwalt Dr. Heinz Hauri als unabhängige Persönlichkeit für die Aufgabe als Beirat gewonnen werden. Später wurde er auch als Willensvollstrecker eingesetzt.
Dank eines eingerichteten Pflegedienstes war es dem Stifter vergönnt, bis zu seinem Tod in seiner Wohnung zu leben. Max Bircher starb am 25. Mai 2001 im Alter von 94 Jahren. Nach dem Tod von Max Bircher leitete der Beirat Dr. Heinz Hauri die nötigen Schritte für die Umsetzung der Anordnungen des Verstorbenen ein. Unterstützt wurde er von Gottfried Ringli, dem ehemaligen Direktor der Schule für Gehör und Sprache, der auch ein Porträt über das Leben Max Birchers geschrieben hat. Am 10. September 2002 trat der Stiftungsrat zu seiner konstituierenden Sitzung zusammen.